Seniorinnen und Senioren erzählen

Den Straßenwart von früher gibt es nicht mehr. Michael Gänzler war der letzte seiner Art in Östringen. Er war für den ordentlichen Zustand der Straßen nach Rettigheim, Langenbrücken und Eichtersheim zuständig. Er genoss eine gewisse Achtung wegen seiner Aufgabe und wegen seines Status als staatlicher Angestellter. Die Behörde war in Karlsruhe, die zuständige Außenstelle in Bruchsal angesiedelt. Für die Feldwege war der Flurschütz Beyerer zuständig.
Zu den Aufgaben des Straßenwarts gehörte es , die Straßengräben sauber zu halten, die Dohle frei zu legen und die Rabatten zu pflegen und Raine abzumähen. Es wurde mit der Sense gemäht. Wenn es viel Arbeit gab, halfen Ernst Bender oder Alfons Schmitt. Wenn eine Straße aufgerissen war, wurde sie geteert. Dafür wurden die Straßenwarte der Nachbardörfer zusammen gezogen; die Teermaschine kam aus Bruchsal.
Nach Schneefällen wurde die weiße Pracht mit dem Schneeschlitten geräumt. Er stand in der Scheune an der Ludwigstraße neben der alten Post. Er wurde von Pferden gezogen, denn es gab nur einen Bulldogg im Ort und der gehörte dem Kohlen-Rothermel. Zu gern wäre Gänzlers Tochter bei Schneeräumen auf dem Schlitten mitgefahren, aber der Vater ließ es nicht zu. Es war ihm zu gefährlich.
Bei Glatteis wurde gestreut. Das war auch bitter notwendig, denn die Straßen waren stark gewölbt. Wenn der Omnibus Hassis mal wieder kein Benzin hatte, fuhren die Pendler mit dem Fahrrad zur Bahn oder zur Arbeit. Wegen der Straßenwölbung konnten sie nur den halsbrecherischen, vereisten Straßenrad benutzen.
Die Straßenwarts hatten eine Kuh, manchmal auch ein Kälbchen, das verkauft wurde. Die Tiere wurden mit dem Gras von den Wegrainen gefüttert. Einmal, erzählte die Tochter, habe ihr Vater das Wägelchen bei der Schneidmühl viel zu voll geladen. Nach der Schule holte sie es ab. Bis zum "Grünen Hof" habe sie es geschafft, dann verließen sie am leichten Anstieg bei Hubs Haus die Kräfte. Ihre Mutter hatte Mitleid, so viel hätte er ihr nicht auf zu laden brauchen. Die Tochter erinnert sich bis heute an den Teergestank, den Vater an seinen Kleidern mitbrachte. (Bac)